Buch-Rezension: Besser Vollkorn Backen von Lutz Geißler

Lutz Geißler

Besser Vollkorn backen. Brote, Brötchen und Süßes aus Vollkornmehl – saftig, locker und gesund. 50 Rezepte mit langer Reifezeit und wenig Arbeitszeit. Lutz Geißler. 2024. 360 S., 844 Farbfotos, 1 Leseband, geb. ISBN 978-3-8186-2358-6. € 45,00. ET-Plan: 17.10.2024;

BESSER VOLLKORN BACKEN, ein neues Backbuch von Lutz Geißler

Auf dieses Buch habe ich mit Spannung gewartet, da es bis jetzt kaum ein nennenswertes Buch mit reiner Vollkornbäckerei gab. Selbst im Brotbackbuch Nr. 3 von Lutz Geißler und Monika Drax, welches sich mit Vollkornbäckerei beschäftigt, wird nicht ausschließlich mit Vollkornmehlen gebacken. In anderen Werken wird zwar mit Vollkorn gebacken, aber nicht mit der sogenannten langen Teigführung, sondern mit sehr viel (zu viel) Hefe.

Lutz Geißler

ist einer der bekanntesten Gesichter hierzulande, wenn es um das Brotbacken geht. Gleichwohl als Geologe gestartet, entdeckte er das Backen, zunächst als Ausgleich, für sich selbst. Es folgte eine unfassbare Erfolgsgeschichte, die in einem gigantischen Brotbackblog (über 1000 Rezepte), sehr vielen Büchern (jetzt alleine 20 im deutschsprachigem Raum), Backkursen, TV-Auftritten und vieles mehr, seinen Niederschlag fand. Selbst Profi-Bäcker lassen sich von ihm beraten. Inzwischen betreibt er mit seiner Lebensgefährtin Christina Weiß, einer Bäckermeisterin, eine Bäckerei in Hamburg. Man kann folglich mit Fug und Recht behaupten, dass er auf diesem Gebiet eine Kapazität ist.

Lutz Geißler und Vollkorn

Lutz Geißler selbst, schreibt in seinen einleitenden Worten, dass er lange kein Vollkornfan gewesen sei, sich das dann aber geändert hat, als er selbst zu backen anfing. Dennoch sind die meisten seiner Rezepte auf seinem sehr bekannten Backblog „Plötzblog“, dem ich und viele Tausende Menschen folgen, nicht aus Vollkorn. Seit einiger Zeit konnte ich allerdings eine starke Zunahme dieser Rezeptkategorie beobachten (ich vermute, Christina Weiß ist daran nicht ganz unschuldig).

Vollkorn und Ich, die Rezensentin

Ich selbst würde mich als Spezialistin für Vollkorn bezeichnen, da ich seit 4 Jahrzehnten praktisch nur Vollkornbrot esse und mich vollwertig ernähre. Als ich vor ca. 10 Jahren selbst mit dem Brotbacken anfing, gab es noch wenige Vollkornrezepte und ich musste oft Rezepte auf Vollkorn „umrechnen“. Inzwischen betreibe ich selbst einen Backblog „VOLL KORN – VOLL LECKER“. Ich verbacke fast ausschließlich Vollkornmehle und bis jetzt zu 98 % nur mit Sauerteig.

Mit Vollkorn backen

Wie Lutz Geißler feststellt, kann man nicht alle Brote, die aus Weißmehl sind, einfach auf Vollkorn umbauen, weswegen er die Backwaren teilweise mit Fantasienamen versieht. So gibt es u.a. Vlammkuchen, Vizza, etc., was mich an vegane Wurstwaren erinnert. Aber auf Wurzelkasten, Dreikorn, Seelen und vieles mehr. Tatsächlich bin auch ich der Meinung, dass nicht alles mit Vollkorn gut schmeckt, wenngleich das natürlich Geschmackssache ist. Insbesondere Backwerke, die normalerweise eine eher dichte Porung haben und mit Vollkorn dann eine noch dichtere hätten, sind nicht so gut geeignet. Oder umgekehrt, man möchte eine extrem lockere Porung, wie bei Panettone, dann wird es auch schwierig. Ansonsten sehe ich das aber eher entspannt. Wesentlich ist meiner Meinung nach, die höhere Hydration und die schonende Behandlung des Teiglings.

Buchaufbau

Im Gegensatz zu anderen Büchern von Lutz Geißler, wird nicht sehr viel Erklärendes vorweggeschickt. Möglich, dass diese Seiten ohnehin nicht so oft oder intensiv gelesen werden. Stattdessen baut er viel Wissenswertes zwischen die Kapitel, bzw. den Rezepten, ein. So kommt es in kleineren, aber regelmmäßigen Häppchen. Wie ich finde, eine gute Idee!

Die Rezepte werden jeweils in zwei Versionen präsentiert: Rezept in aller Kürze und Rezept ausführlich. In der Kurzversion werden die wesentlichen Punkte nur kurz angerissen (eher für den erfahrenen Hobbybäcker), in der ausführlichen Version wiederum die Abläufe sehr genau beschrieben und mit Bildern untermauert. Zu jedem Rezept gibt es eine Liste von dem benötigten Zubehör. Diese wird neben dem ersten großen Bild des Rezeptes, positioniert. In einigen anderen Büchern stehen an dieser Stelle zusammengefasst Informationen zu Teigeinwaage, Teigausbeute, Backzeiten, etc… Das gefällt mir persönlich besser, da sich das Backzubehör tendenziell wiederholt. Die Teigeinwaage steht, ähnlich eines kleinen Stempels, jetzt über dem Rezept. Ich muss zugeben, ich habe eine Weile gebraucht, bis ich es gefunden habe. Auch eine Gesamtübersicht der Zutaten, damit man gleich weiß, was man braucht, finde ich ganz praktisch. Die fehlt leider, es finden sich die Zutaten bei den jeweiligen Rezeptstufen. Vorhanden ist ein hilfreicher Zeitplan, was man wann machen muss. Gut ist auch das Sach- und Rezeptregister, das sich am Ende des Buches befindet.

Die Rezepte sind zu ca. 2/3 mit Hefeteig und zu 1/3 mit Sauerteig konzipiert. Außerdem noch zwei Rezepte mit beiden Lockerungsarten. Es wird in die Kategorien „Großes“, „Kleines“ und „Würziges und Feines“ unterteilt. Zu jeder Kategorie gibt es vorab eine bebilderte Übersicht.

Die Auswahl der Gebäck- und Mehlarten ist vielfältig und variantenreich. Hier sollte jeder fündig werden.

Der Preis

Der Preis für das Buch beträgt 45 €. Das klingt im ersten Augenblick sehr viel. Ohne Zweifel nicht wenig Geld. Aber, man muss sehen, was man im Gegenzug dafür bekommt. 50 neue Rezepte auf 366 Seiten. Dazu 844 Farbfotos. Diese Arbeiten wollen erstmal gemacht, das Knowhow dazu erworben werden. Wenn man es mit anderen Brotbackbüchern vergleicht, ist unabhängig von der hohen Qualität des Inhalts, der Pro-Seite-Preis im unteren Preisgefüge.

Diese Rezepte habe ich nachgebacken

Seelen

Als erstes Rezept habe ich mir das Rezept „Seelen“ ausgesucht. Seelen, bzw. Dinkelseelen sind Brötchen, die ohne Stückgare hergestellt werden. Der weiche Teig liegt auf der Arbeitsplatte und man zieht mit nassen Händen Teiglinge davon ab. Diese werden dann sofort gebacken.

Das reine Vollkornrezept aus Dinkelmehl arbeitet mit einem festen Vorteig mit minimaler Hefe, einem Kochstück und einem Hauptteig, der mit Hefe gelockert wird. Die Gesamthefemenge ist mit nicht einmal 1% der Mehlmenge als gering zu betrachten.

Die Beschreibung der Vorgehensweise ist sehr gut und auch gut bebildert, sodass es nicht schwerfällt, die Handgriffe nachzuvollziehen.

Der Geschmack der fertigen Seelen ist aus meiner Sicht geradezu überragend! Die Krume ist sehr flauschig und offenporig, die Kruste fein und knusprig. Das Salz und der Kümmel ergänzen den Geschmack auf das Vortrefflichste!

Ich bin mir nicht ganz sicher, inwiefern man sich bei einem Probebacken für eine Buchrezension, 100% an das Rezept halten muss?! Ich habe dies weitestgehend versucht, musste in einem Punkt jedoch deutlich abweichen: Der Hydration. Diese ist mit einer TA175 im Buch, für Seelen, insbesondere Vollkornseelen, extrem niedrig. Ich habe mich gefragt, ob das ein Versehen ist. Schon im Buch „Backen mit Hefe in Perfektion“ (mein erstes Backbuch von Lutz Geißler und meine ersten Vollkornseelen), war die TA186! Ich habe entgegen der Angaben eine TA200 gewählt und diese hat sehr gut gepasst. Wie ich später erfahren habe, wurde die Hydration im Buch so niedrig gewählt, weil das Mehl wohl sehr kleberschwach war. Im Gegensatz zu meinem Mehl, welches ich wie immer aus dem vollen Korn selber mahle. Zudem war es 3 Wochen abgelagert. Gebacken habe ich mit UrDinkel Blue Velvet der Urkornpuristen

Wurzelkasten

Wurzelkasten ist ein im Kasten gebackenes Dinkelvollkornbrot, welches ein Kochstück mit Mohn und Röstbrot bekommt und im Hauptteig mit Karotten angereichert wird. Es wird in der Vorstufe mit Sauerteig und im Hauptteig zusätzlich mit Hefe gelockert.

Das Rezept hat mich gleich angesprungen, da es eine außergewöhnliche Rezeptur hat. Die Kombination von Mohn und Karotten habe ich noch in keinem Rezept gelesen und noch nie gegessen!

Das Rezept ist wieder sehr gut beschrieben und mit Fotos unterlegt. Die Garzeiten werden in Abhängigkeit von der Teig- und Raumtemperatur genannt, sodass man Abweichungen selbst einrechnen kann.

Ich habe wieder etwas mehr Wasser eingesetzt (+46 G), mein Mehl ist einfach kleberstärker, als das im Buch verwendete. Da muss man ein bisschen hinschauen. Man muss aber auch vorsichtig agieren, da man vorher nicht weiß, wie viel Wasser die Karotten ziehen (abgeben). Die empfohlene Wassertemperatur für den Hauptteig fand ich persönlich etwas zu hoch, hier läuft man leicht Gefahr, dass der Teig beim Kneten überhitzt.

Geschmack und Konsistenz des Brotes sind wieder überragend! Nach 4 Tagen schmeckte es immer noch toll und frisch.

Getreide: Selbstgemahlen UrDinkel Blue Velvet von den Urkornpuristen.

Dreikorn

Dreikorn ist ein Brot, welches nur mit Sauerteig gelockert wird. Es kommen die Getreidearten Roggen (30 %), Dinkel (30 %) und Weizen (40 %) zum Einsatz. Nebst der Vorstufe des Sauerteiges wird noch ein Kochstück aus Roggenmehl eingebracht.

Die Beschreibung der Vorgänge war wieder sehr gut. An die Zeiten habe ich mich diesmal nicht ganz gehalten, da ich Weizen/Dinkellastige Teige gerne länger in der Stockgare lasse. Natürlich darf man dann in der Aufarbeitung nicht zu rabiat vorgehen, um die entstandenen Gärgase im Teig zu halten. Die Stückgare habe ich entsprechend etwas kürzer gewählt. Auch hier habe ich mehr Wasser zu dem Teig gegeben, als vorgegeben war (+ 35 G). Bei der Teigformung werden drei Teile geformt, die dann in einem Gärkörbchen Platz finden müssen. Diesen Teil fand ich nicht ganz so einfach, da man die einzelnen Teiglinge etwas hin- und herschubsen muss, bis sie gleichmäßig verteilt sind. Vielleicht war mein Gärkörbchen für diese Teigkonstellation auch nur zu steil (weswegen sie zur Mitte rollen wollten).

Entstanden ist erneut ein super schmackhaftes Brot mit einer tollen Porung und mildem Geschmack!

Getreide: Selbstgemahlen – Roggen (2/3 Lichtkornroggen*, 1/3 Waldstaudenroggen**), UrDinkel Blue Velvet**, Backstarker Weizen*

* Biomühle-Eiling
** Urkornpuristen

Fazit

Backen ist ein sehr multifaktorielles Handwerk. Um es wirklich gut zu können, ist sehr viel Wissen nötig, welches man sich aneignen muss. Das geht nicht von einem auf den anderen Tag. Zudem benötigt man ein gutes Gefühl für die Materie. Will man nur mit Sauerteig backen, wird es noch anspruchsvoller, da der Sauerteig zusätzliche Faktoren, bzw. Unwägbarkeiten mit sich bringt.

Dennoch lohnt es sich, sich in das Abenteuer „Backen“ zu stürzen, da es unfassbar erfreulich ist, die eigenen Backwerke in der Hand zu halten und unabhängig von Bäckereien zu sein.

Angesichts der Fülle der Informationen kann jedes Backbuch nur der Versuch sein, alles, was nötig ist, abzubilden. Was sind die wichtigsten Faktoren für das gute Gelingen von Backwerken? Das wird vielleicht jeder ein bisschen anders sehen.

Im vorliegenden Buch werden neben den normalen Parametern eines Rezeptes die Teigtemperatur und die Raumtemperatur als Richtschnur genannt. Weicht man von diesen ab, so dauert es länger oder kürzer. Es werden sehr gute Beschreibungen der Zubereitung und passende Fotos dazu gezeigt. Es gibt eine Menge Wissenswertes, rund um das Backen und Vollkorn, zu lernen.

Lutz Geißler hat irgendwann aufgehört Teigknetzeiten* anzugeben, da (ich hoffe, ich erinnere mich richtig) jede Maschine anders knetet und es keine allgemeingültigen Empfehlungen geben kann. Außerdem soll man lernen, den „Teig zu lesen“. Als Folge gibt er als Knetziel an, dass der Teig geschmeidig und glatt aussehen soll. Das ist für einen erfahrenen Hobbybäcker, der zuvor schon gelernt hat, wann der Teig geschmeidig aussieht, vielleicht kein Problem, für einen Backanfänger aber kaum zu stemmen. Die Angabe der Knetzeiten, vielleicht mit dem Beispiel einer bestimmten Knetmaschine oder mit Worten, wie „langsam“ oder Ähnlichem, erachte ich persönlich als hilfreicher.

Es wird beschrieben, dass Vollkorn besonders gut gelingt, wenn die Hydration* im Teig recht hoch ist. In manchen Rezepten gibt es dann auch eine „von – bis – Angabe“ zur Wassermenge. Eine hohe Hydration ist geradezu essenziell, damit Vollkorn nicht so schmeckt, wie es viele Menschen befürchten, sondern locker und fluffig. Den Unterschied hierzu kann das Mehl ausmachen (natürlich auch die Handhabung), da verschiedene Mehle sehr unterschiedliche Wasseraufnahmefähigkeiten haben. Das wäre eine Information, die aus meiner Sicht sehr wichtig gewesen wäre und ich mir in dem Buch gewünscht hätte. Die Rezepte, die ich ausprobiert habe, waren durchweg toll, aber genau diese Information hat gefehlt. Hätte ich mich 100% an das Rezept gehalten, wären die Backwerke anders ausgefallen.

Ich habe in letzter Zeit fast ausschließlich mit Sauerteig gebacken und musste jetzt erstmals seit langer Zeit wieder mit Hefe backen. Erst zauderte ich ein wenig, bin jetzt aber sehr froh, dies wieder getan zu haben. Ich musste feststellen, dass Gebäcke, mit wenig Hefe und langer Teigführung oder kombinierte Methoden, doch sehr gut schmecken und durchaus eine Alternative zu reinen Sauerteiggebäcken sein können!

Ich habe neue Gebäckarten gebacken, die wirklich toll geschmeckt haben und definitiv wieder auf unsere Brotkarte kommen werden. Danke!

* Nachtrag von Lutz Geißler

Hier kannst du Angaben finden, wie der Teig nach dem Kneten aussehen soll: HIer und Hier .
Nähere Einlassungen zu der Hydration des Teiges findest du im Buch unter dem Thema Gut zu Wissen, auf den Seiten 47 – Darf es auch etwas weicher sein und auf Seite 205 – Je feiner das Vollkornmehl, umso besser?

Fotos: Yvette Sillo
Foto Buchtitel: Ulmer Verlag

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1 Kommentar
  • Peter
    21. Oktober 2024

    Vielen Dank für deine ausführliche Rezension! Jetzt freue ich mich noch mehr auf das Buch.

  • Lutz
    21. Oktober 2024

    Vielen Dank für deine Rezension, Yvette.

    Zum Kneten habe ich hier und hier in den FAQ ganz viel geschrieben. Ich denke, dass sich auch Einsteiger unter „glatt und geschmeidig“ etwas vorstellen können. Es ist jedenfalls eine genauere Angabe als eine Zeit in Minuten, aus den in den Links genannten Gründen.

    Zum Wasser; Auf den Seiten 47 und 205 sind die entsprechend (als fehlend bezeichneten) Informationen zu finden.

    Viele Grüße
    Lutz

    • Yvette
      22. Oktober 2024

      Vielen Dank, Lutz. Danke für deine entsprechenden Hinweise! Diese Seiten hatte ich auch gelesen, aber nicht sofort die entsprechenden Rückschlüsse gezogen. Ich habe sie jetzt im Text als Nachtrag ergänzt.

  • out.baecker
    21. Oktober 2024

    Toll gemachte und sehr interessante Rezension 👏 Respekt 👍 Ich kaufe mir das Buch ja sowieso 😍 Aber jetzt noch lieber als vorher ☺️